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Nationalpark Stolby

„Die spinnen, die Sachsen Sibirier!“ (Original von Peter Brunnert)

Vier Stunden für keine 20 Kilometer von Krasnojarsk zum Nationalpark (NP) Stolby, 28 Grad im Schatten, immer wieder anhalten wegen dem Wahnsinns Verkehr und den schlechten Straßen, 2,5 Kilometer bergauf schieben. Am Eingang erwartet mich eine strenge Rancherin. Mit verschränkten Armen stellt sie sich in den Weg und drohte mir, die NP Verwaltung (oder meinte sie die Polizei?) anzurufen: Fahrrad schieben ist im NP Stolby verboten! Auto´s mit Sondergenehmigung rasen an mir vorbei.

Fahrräder + Hunde sind verboten

Da habe ich mich erst einmal in den Schatten gesetzt und ein „Verschnauf-Nachdenk-Päuschen“ eingelegt. Eine russische Wanderin setzte sich zu mir und hatte viele Fragen als sie mein voll bepacktes Fahrrad sah. Sie heißt Vera, kommt aus Krasnojarsk und erkannte mein Problem. Zusammen mit Ranger Anatoli – der wahrscheinlich vom „Wachhund“ 😉 gerufen wurde – konnten wir es lösen. Das Rad + restliche Equipment kann im „Wachhund“häuschen eingestellt werden, mein Gepäck, Paulchen und ich werden mit dem Auto! zum Zeltplatz gefahren.

Zeltplatz NP Stolby

Der Abend war International: Frankreich, Deutschland, Russland und verging wie im Fluge mit lauter interessanten Gesprächsthemen am Lagerfeuer. Am nächsten Tag ging es dann zu den Felsen. Die russischen Familien wollten mit ihren Klein- und Kleinstkindern (3 – 10 Jahre) den 80 Meter hohen Berg besteigen. Und das nicht etwa wie bei uns mit Klettergurt und Seil – NEIN – weit gefehlt! Hier im NP Stolby ist Freeclimbing angesagt. Kind und Kegel und Jedermann – ganze Völkerscharen turnen auf dem 80 Meter hohen Felsen frei herum – DAS IST SIBIRIEN TRADITION! Was sind wir bloß für „Weicheier“ in Sachsen – also ich jedenfalls habe mich nicht getraut (Daumen nach unten). Völkerwanderung am 80 Meter hohen Stolby Nr. 1

Freikletterer

Weiter auf dem Rundgang zeigt mir Olga wie sie Aminosäure „erntet“: Sie legt einen Grashalm auf den Ameisenhaufen, wartet eine Weile, schüttelt dann alle Ameisen vom Grashalm ab und zieht ihn durch den Mund und macht dabei „mh“. Oder sie bricht Harz vom Baum ab, um ihn als Kaugummi zu kauen. Den Nachmittag verbrachte ich mit drei „zuckersüßen“ französischen Boulderern. Zuckersüß deswegen, weil Leo gerade am Waffeln und Schokoladenkekse kaufen war, als ich ihn traf. Auf dem Weg zum Felsen überredete er noch ein russisches Pärchen, die mit Gitarre unterwegs waren, zum gemeinsamen spielen. Was habe ich den Abend noch gelacht. Leider kann ich in Flickr keine Videos hoch laden (Susi, please help me!) und für den Blog ist es zu groß :-( Ich möchte aber auch keine Sekunde davon weg schneiden.

sweet boys

3 sweet boys

Den nächsten Morgen musste ich mich leider von Antoine, Charlie und Leo (von links nach rechts) verabschieden. Ihre Ferien sind zu Ende. Sie waren zwei Monate in China, Mongolei, am Baikalsee und hier in Stolby zum Klettern unterwegs. Plötzlich tauchte ein junger Mann im NP T-Shirt auf und stellte sich vor. Sein Name ist Sviatoslav Ovchinnikov. Er kommt von der NP Verwaltung, spricht englisch und wird für das Interview dolmetschen. Wie jetzt welches Interview? Der NP Verwaltung sei bekannt, dass hier eine deutsche Touristin mit dem Fahrrad angekommen sei, die Probleme hat sich zu verständigen und da solle er dolmetschen. Das russische Fernsehen wäre sehr interessiert an einem Interview und möchte einen Film drehen. Ich glaub, jetzt dreh ich gleich durch. Die spinnen doch, die Sibirier! Deutsche Touristin als Attraktion im Zoo NP Stolby gesendet von www.prima-tv.ru

Prima TV Russland

Na ja, was soll`s – ich habe mich natürlich „breit“ schlagen lassen. Es war ein fast tagesfüllendes Programm und der Rest reichte nur noch für einen kleinen Rundgang um die Felsen. Wo ich mich dann doch noch getraut habe, auf einen kleinen Felsen zu klettern.

Am Wochenende hat man den Eindruck halb Krasnojarsk ist im NP Stolby unterwegs. Alle wollen raus in die Natur, schlafen im Freien oder alle Plätze im Camp sind belegt. Ab 22 Uhr kam jemand mit Leinwand, Beamer und Laptop an und es wurde ein Film mit Robin Williams gezeigt, allerdings russisch synchronisiert. Wer des nachts sein Essen nicht hoch genug gesichert hatte, musste morgens mit leeren Magen los ziehen. Denn hier im Camp waren zwei sibirische Zobel-Räuber unterwegs und stahlen alles, was sie erbeuten konnten.sibirischer ZobelAndere Tiere dagegen waren harmlos und flitzten nur zwischen den Zelten hin und her. Wie hier das Streifenhörnchen – russisch „Burunduk“StreifenhörnchenIch packte meine Sachen und zog zu Fuß gen Tal. Nahm mein Fahrrad in Empfang und radelte mit einer Einladung von Vera in der Tasche zurück in die Stadt. NP Stolby Camp

Ranger NP Stolby

Was allerdings wieder ein stundenlanges Abenteuer wurde. Es regnete sintflutartig und die Straßen waren knietief mit Wasser gefüllt. Ein Vorwärtskommen war manchmal schwierig oder gar nicht möglich. Das russische Fernsehen berichtete abends davon. Krasnojarsk am So.17.08.14

Bei Vera durfte ich zwei Nächte bleiben, Wäsche waschen und alles trocknen. Die Reporterin meinte, dass mein Film am Montag Abend gesendet wird. Wir saßen gespannt vor dem Fernseher – leider vergeblich. Ich vermute, dass die Story über eine deutsche Touristin im NP Stolby nicht spektakulär genug war für die russische TV Zensur oder sie zeigen es ein anderes Mal. Egal, für mich war es Abenteuer genug! bei Vera in Krasnojarsk

Nachtrag: Viele schöne Story´s findet ihr bei Google unter „Stolby climbing“. Diese widerspiegeln das was ich erlebt habe:

  • http://www.youtube.com/watch?v=lwCyM84HCcA
  • http://englishrussia.com/2009/12/15/“stolby”-of-krasnoyarsk-the-weekend-extreme/
  • http://kletterszene.com/news/sibirien-gottverdammtes-barenland/

Zwischenstation Krasnojarsk

Eigentlich wäre ich viel lieber in den 10 Tagen, die ich in Barnaul herum gehangen habe, die 500 Kilometer bis Kemerowo auf Nebenstraßen geradelt. Der Sommer ist kurz in Sibirien. Es herrscht ein ausgeprägtes Kontinentalklima und ab Ende August wird es bereits etwas kühl und frisch. Einige Wetter Kapriolen Sibiriens konnte ich bereits in Barnaul erleben. Den einen Tag waren es 28° C und den nächsten 14° C. Ich machte mich also auf zum Bahnhof und nahm den nächsten Zug nach Nowosibirsk. Das Fahrrad konnte vor der geschlossenen Waggontüre stehen und in 5 Stunden war ich da. 

Angekommen schob ich mein Rad samt Gepäck in den super großen Bahnhof. Allerdings gab es Ärger mit dem Personal und die Fahrkartenschalter waren eine Etage höher, Aufzug gibt es keinen. Kurz entschlossen stellte ich mein Rad in den Aufenthaltsraum der Gepäckwagenfahrer ab, die mit ihren „Wägelchen“ das Gepäck der Leute zum Taxi transportieren. Sie waren zuerst überrascht, dann neugierig und zu guter Letzt lachten sie und meinten ich sollte mich beeilen. Am Fahrkartenschalter habe ich das erste Mal eine sehr nette Mitarbeiterin der russischen Bahn erlebt, die sich echt Mühe gab, mir mit ein paar Brocken Englisch das Ticket zu erklären.

In ganz Sibirien ist die Chance auf Deutsch bzw. Englisch sprechende Angestellte in Läden, Bahnhöfen oder Hotels zu treffen sehr gering. Ausserdem sind die meisten Angestellten nicht sehr hilfsbereit bzw. offen fremdenfeindlich. Zeigt man im Laden auf ein Produkt wird man sehr oft ignoriert und man bekommt immer eine Nachfrage auf Russisch. Kann man diese nicht beantworten, wird man oft nicht weiter bedient. Hat man keinerlei Russischkenntnisse hilft nur Hartnäckigkeit, mit Zettel, Stift und Wörterbuch sein Anliegen zu erklären und durchzusetzen.

Zurück bei den Gepäckwagenfahrern hatte ich zwei kurzweilige Stunden Aufenthalt. Einer konnte ein wenig Deutsch und wollte alles von mir wissen: woher, wohin, wie alt, Arbeit, Kinder und Mann? Er schwärmte vor seinen Kollegen von deutschen Frauen. Ich nahm derweil mein Rad auseinander und verpackte es wieder in Tüten für den Zug. Zum Schluss kam alles auf den Gepäckwagen, Alexej zog es stolz zu meinem Waggon Nr. 13, meldete mich bei der Wagenschaffnerin an und trug alles hinein. Ich entlohnte ihn und belohnte ihn noch zusätzlich mit einem dicken Kuss. Er schwebte dahin, da hatte ich wohl jemanden glücklich gemacht 😉

In Krasnojarsk angekommen hatte ich ein Problem, das Hotel der Kette „Kolos“ (was Ähre auf Deutsch heißt) zu finden. Roman sprach mich an, ob er mir helfen kann und führte mich zum gewünschten Hotel. Beim einchecken ins Hotel half er bei der Übersetzung und hat sich über das wenige Entgegenkommen der Dame gegenüber Touristen „fremd“ geschämt. Roman ist 34 Jahre, arbeitsloser Geschichtslehrer und spricht gut Englisch und Deutsch. Wir verabredeten uns für den nächsten Tag zum Stadtbummel.

Sehr pünktlich zur Verabredung holte er mich ab. Roman ist ein leicht füßiger Schnellläufer. Blitz schnell waren wir auf einem Berg mit Blick auf die Stadt und wieder unten die Lenina Ulitsa rauf und runter bis zum Fluss Jenissei. Dann fing es leider an sintflutartig zu gewittern und regnen, so dass wir ins nächst beste Restaurant flüchten mussten. Er bedauerte, dass er mir nicht so viel zeigen konnte, wegen des schlechten Wetters und der Zeit. Aber ich fand den Tag wunderschön, so dass ich beschloss einen Tag länger zu bleiben, um mir noch mehr in Ruhe anschauen zu können.

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„Wer keine Fehler macht, bleibt dumm.“

(© Anke Maggauer-Kirsche – deutsche Lyrikerin)

Ich habe einen RIESEN Fehler gemacht.

Ich war vor der Reise in Dresden auf dem Meldeamt Theaterstr. und habe mich dort abgemeldet. Die einwohnermeldebehördliche Abmeldung meinerseits erfolgte auf Grund eines Irrtums, dazu verpflichtet zu sein. Ich dachte für das Jahr keine GEZ Gebühren mehr zahlen zu müssen und dem Finanzamt damit zu signalisieren – ich bin dann mal weg und mache erst meine
Steuererklärung wenn ich wieder komme. Was ich nicht wusste: Aus der GEZ Gebühren Zahlung kommt man NUR raus, wenn man den Nachweis der Kündigung der Wohnung beifügt und mit der Abmeldung aus Deutschland wird automatisch die Steuer ID für Deutschland gesperrt/ungültig. Für den Arbeitgeber werden meine Daten gesperrt und er ist verpflichtet, für mich Steuern der Steuerklasse VI abzuführen, anstelle der bisherigen Steuerklasse I.

Als ich zurück kam aus dem schönen Altai, erwartete mich eine eMail von der TK, ich solle mich DRINGEND! melden. Mein Kollege vom Personalbüro erläuterte mir die Auswirkungen der Steuerklasse VI:  Der Monat Juli wird mit dem Gehalt für August verrechnet = – 1000 EUR Netto und ab September erhalte ich monatlich – 500 EUR Netto weniger :-(

Irrtum schütz vor Strafe nicht – eine Beratung, Fragen oder Hinweise am Meldeamt Schalter hat es aber auch NIE gegeben.

Das Finanzamt meinte, es gehe nur über das Meldeamt zu regeln. Das Meldeamt meinte, es gehe nur zu regeln, wenn ich persönlich vorbei komme. Ich hatte mich schon für 1.200 € hin und her fliegen sehen. Dank unserem Star Rechtsanwalt Volker aus unserer Altai Wandergruppe konnten die richtigen Worte formuliert werden und siehe da, das Amt war willig, zur Lösung – ohne persönliche Anwesenheit meinerseits – beizutragen.

Die Dame vom Meldeamt verlangte die Abmeldebestätigung im Original zurück und könnte somit die Abmeldung stornieren. Nun galt es diese in meinen Kisten im Keller zu finden. Dank meiner Nachbarin Anke wurde das Original gefunden und eigenhändig beim Meldeamt abgegeben. Die Bestätigung, dass alles storniert ist, hat mir die Frau vom Meldeamt bereits per eMail mitgeteilt. Ich bin soooooo dankbar, solche tollen Nachbarn zu haben und weiß noch gar nicht, wie ich das wieder gut machen kann.

In der Zeit des Wartens habe ich Peter aus Dortmund in einem Café kennen gelernt. Er war mit dem Motorrad auf Tour und ist mit Motorschaden liegen geblieben. Für ihn musste es schnell gehen, Ersatzteile zu besorgen, die KTM reparieren zu lassen und bis 18. August aus Russland auszureisen. Da sein Visum und das des Motorrades da endet. Aber weit gefehlt! Ersatzteile gibt es in Russland nicht. Selbst in Deutschland sind zur Zeit diese Teile nicht lieferbar bzw. wegen des Wirtschaftsembargos auch nicht abzusehen, wann sie in Barnaul eintreffen.

Wir waren beide froh, einen „Partner“ gefunden zu haben, mit dem man die eigenen Probleme in deutsch besprechen konnte. Im Hotel gibt es schnelles Internet und meinen Laptop haben wir als Translator für Russisch in der Werkstatt einsetzen können. Jetzt ist alles geklärt: Er lässt seine KTM mit einer Spedition abtransportieren und seine Frau hat ihn den Flieger nach Deutschland bereits gebucht.

Derweil bin ich mal kurz (1,5 Tage) mit dem Zug nach Kasachstan gefahren und wieder zurück nach Barnaul. Wo mich die Großmutter im offenen Großraum Liegewagen mit 52 Liegen als „Deutschen Spion“ entlarvt hat, weil die Grenzer x-mal meinen Pass kontrollierten. Bier trinken im Zug verboten ist und der Wagenschaffner tonnenweise Wodka aus Kasachstan nach Russland schmuggelte. Ich habe ein „Business“ Visum mit mehrmaliger Einreise für Russland und mit jeder Einreise 90 Tage Aufenthaltsrecht.  Mit der neuen Einreise in Russland kann ich mein russisches Visum jetzt bis zum 27. Oktober ausreizen. Ich wollte ja noch ein bisschen mehr vom Land sehen, als nur in Barnaul hocken und Probleme klären!

Morgen geht es dann endlich weiter nach Nowosibirsk und vielleicht schaffe ich es sogar noch mit einem Zug gleich weiter nach Irkutsk zu fahren. Der Baikalsee ruft! Peter hat mir schon viele tolle Tipps gegeben und sehr von dieser Region geschwärmt.

Heute konnten wir sogar noch meinen Fahrradständer – der schon wieder abzufallen drohte – reparieren. Mir fehlte ja – wie schon erwähnt – der eine Inbusschlüssel dafür. Peter hatte schon Werkzeugläden vom Motorrad aus gesehen. Wir gingen zum Taxistand. Ein Fahrer wollte gerade in eine Flasche pinkeln. Peter hatte es gesehen und war entsetzt: „Willst du wirklich mit dem Flaschenpisser mitfahren?“ Doch dieser war sehr überheblich zu uns und verlangte fast das Doppelte. Der dritte Fahrer war dann einverstanden uns zu fahren. Mit Händen und Füßen und mit Bilder auf einem Zettel machten wir verständlich was wir wollten. Nicht weit hinter der Stadt gab es einen Laden, der keine Werkzeugwünsche offen ließ. Glücklich das richtige für 7 € gefunden zu haben, machten wir uns ans Werk. Besser gesagt, Peter! Dank ihm ist jetzt der Ständer wieder fest und die Schaltung wieder gangbar angebracht. Außerdem glänzt ein 15er Maulschlüssel für die Pedalen in meiner Tasche, damit ich diese für den Flieger abbekomme.

Ende gut, alles gut. Ich habe viel dabei gelernt und muss ganz besonders lernen: bei technischen Schwierigkeiten nicht sofort zu resignieren. Denn   ALLES WIRD GUT.   Nur die Zeit dazwischen auszuhalten, ist manchmal sehr schwer.Hotel Kolos Barnaul