Von Samcheok nach Pohang
Nach einem weiteren Abwettertag zum Trocknen des Zeltes, aller Utensilien, Reparatur der Fahrradtasche und Schreiben verbringe ich zum super Spezialpreis von nur 50 Euro (kostet sonst das Doppelte) im Nobelhotel neben an:
Im Ort leiste ich mir einen neuen Sattel. Der alte war durchgeritten und nach der Patsch-Nass-Aktion nur noch ein nasser Schwamm, auf dem es sich unangenehm fahren ließ. Hi Mattes, ich habe es doch gewagt, mich auf einen neuen Sattel einzulassen 😉 Nach nur 5 Tagen habe ich mich an den neuen gewöhnt. Er ist zwar etwas schmaler und härter, aber trotzdem angenehmer zu fahren. Bei Sonnenschein und 26° Grad auf dem Thermometer fahre ich erneut am Pavillon vorbei:
Die Orientierung ist oft schwer für mich und kostet viel Zeit. Oft muss ich gucken fahren. Die Abschnitte sind sehr bergig. Nach fast 5 Monaten habe ich zum ersten Mal Muskelkater in den Waden!! Meine tägliche Distanzen liegen zwischen 25 und 55 Kilometer. Mir macht die zeitige Dunkelheit zu schaffen. Manchmal sind meine Schlafplätze aus diesem Grund recht abenteuerlich. Dabei kommt mein Wörterbuch ohne Worte immer mehr zum Einsatz. Beim Einkaufen oder Schlafplatz suchen, zeige ich auf ein Symbol und mir wird immer geholfen.
Unentdeckt zu bleiben scheint für mich schier unmöglich in diesem 1,3 mal so großem Land wie Bayern mit 50 Millionen Menschen darin. Die Koreaner geben mir allerdings ein Wohlfühlgefühl sondergleichen. Von dieser Sonnenschein Mentalität geht nur positive Energie und Lebensfreude aus. Hier fühle ich mich wohl – hier kommt ein Teil von mir her!
Die Menschen in den Orten klatschen beim Vorbeifahren, zeigen den Daumen nach oben, gestikulieren zum Anhalten und schenken mir Äpfel, Maiskekse, Weintrauben, Mandarinen oder andere Früchte, Vitamin D Saft, Wasser oder laden mich zum Kaffee ein. Zum Glück kommt keiner auf die Idee, mich mit dem Auto ein Stück mitnehmen zu wollen. Manchen Männern gefalle ich so sehr, dass sie mich spontan drücken und auf die Wange küssen. Ich bekomme Komplimente und gesagt, meine Augen wären schön 😉 Hier bin ich der exotische Vogel, der von allen beäugt und auf unzähligen Smartphons abgelichtet wird.
Fast überall gibt es kostenlos WLAN. Ich liege im Zelt und sehe mir als Belohnung für den anstrengenden Tag BIWAK aus der MDR Mediathek an.
Die Koreaner haben eine ausgeprägte Saunakultur. Diese wird von Jung und Alt fleißig genutzt. Dabei schrubben sich die Frauen von oben bis unten, schröpfen ihre „knackigen“ Stellen, machen Dehn- und Turnübungen im Schwitzraum, sitzen im Lotussitz, können in jeder Lage und auf jedem Untergrund schlafen und pflegen sich ausgiebig danach. Aller vier Tage komme ich in den Genuss und konnte im letzten Jimjilbang sogar ohne Aufpreis für 5 Euro wieder einmal darin schlafen. Eine gute Alternative bei Regenwetter, ein wohltuender Ausgleich für die wilden Nächte draußen und eine Gelegenheit zum Waschen der Unterwäsche. Bei dem ganzen Service, der in der Sauna, im Motel, Hotel oder auch im Guesthouse zur Verfügung gestellt wird, könnte man hier fast ohne Gepäck reisen.
Family Stay
Angelockt vom Spa Schild hängte ich die 12 Kilometer ins Gebirge noch ans Tageslimit dran. Angekommen musste ich feststellen, dass es weder ein Zimmer noch einen Platz zum Bleiben für mich gibt. Es ist Wochenende und da sind alle Koreaner aus den Städten im Gebirge unterwegs. Ich treffe eine Familie aus Busan an der Tourist Information. Diese erkennt mein Problem und beratschlagt sich. Mir wird angeboten, dass ich mit in ihrer Hotelwohnung schlafen darf. Wieder einmal ein Abend voller Herzlichkeit und Gastfreundschaft. Kim spricht Englisch. Ihn frage ich nach der Nordkorea Problematik. Es ist eine Gefahr die immer noch präsent ist, weil es bis heute keinen Friedensvertrag gibt. Täglich läuft dieses Thema auf allen Kanälen und öffentlichen Plätzen im Fernsehen.
Die Verständigung unterwegs ist sehr schwierig. Hier spricht niemand Englisch und ich kann nichts lesen. Dabei ist die koreanische Schrift Hangeul ein Meisterwerk der Logik, das von Experten bis heute für das bestformulierte Schriftsystem überhaupt gehalten wird. Mancher Einkauf wird danach zur Überraschung. So war die letzte Portion Reis mit Kartoffeln süß und mit Zimt oder ich kann es gar nicht essen und füttere die Möwen damit. Musste oftmals an Oliver denken. Er würde hier wahrscheinlich verhungern. Beim Essen Bestellen, schaue ich in die Töpfe und Bratpfannen und zeige, was ich gerne hätte. Die Speisen sind ausschließlich in Koreanisch angeschrieben. Zum Menü gehört immer verschieden scharfes Gemüse – meist Kimchi – dazu wird Wasser und Kaffee gereicht.
Überall ist Erntezeit. Die Felder werden abgemäht. Auf der Straße wird der Reis getrocknet, in große Säcke gefüllt und abtransportiert. Ich sehe die Bauern mit Dreschflegel wie vor hundert Jahren. Alte Frauen sind oft krumm von der Feldarbeit. Die Fischer leben vom Fischfang an der Ostküste. Vormittags kommen sie mit dem LKW und liefern ihre Ware an. Danach machen sich viele fleißigen Hände ans Werk und bereiten die Kalmare vor zum Trocknen. Am Strand warten die „Abnehmer“ für die unverwertbaren Reste.
Pohang
Auf dem Weg nach Pohang versuchte ich mehrmals am Bankautomat Geld zu holen. Doch diese akzeptierten meine DKB Visacard nicht Mit nur noch umgerechnet 2 Euro in der Tasche werde ich langsam nervös und lege mir schon einen Notfallplan zurecht. Das hieße, Gunter anrufen und ihn bitten, mir auf eine Bank Geld zum Barauszahlen zu überweisen. Aber soweit musste es „Gott sei Dank“ nicht kommen. In Pohang klapperte ich wieder alle Banken ab. Nach dem dritten vergeblichen Versuch, klopfte ich am Schalter und schilderte mein Problem. Die gute Frau kramte einen Zettel aus der Schublade, füllte ihn aus, wollte meinen Pass sehen, eine Unterschrift von mir und siehe da: Ich hatte wieder Bargeld in der Tasche! Das Ganze hat mich zwar etwas Bearbeitungsgebühr gekostet, aber ich fühlte mich wesentlich wohler und konnte mir eine Übernachtung suchen.
Des abends schlenderte ich vor der blinkenden und stark beleuchteten Skyline von Pohang den Strand entlang, bummelte an den Ständen des Herbstfestes vorbei, probierte einige für mich fremde Leckereien, erlebte Karaoke mit Livemusik und bekam von einer Frau ein Packung Süßigkeiten geschenkt. In diesem Stadtflair sehen die jungen Menschen alle gleich aus und tragen als modische Erscheinung riesengroße schwarze Brillengestelle ohne Gläser – das neue Lifestyle lässt grüßen! In dieser Samsung geprägten Welt, war es fast unmöglich Postkarten zu finden.
Jetzt bin ich fünf Monate unterwegs und ich muss euch sagen: