Ein Land im Spagat zwischen Tradition und Moderne

Der Weg zurück von den heißen Quellen nach Tzenkher war sehr anstrengend und weit mit dem schweren Gepäck und ich war in der Steppe den Wetterkapriolen vollkommen ausgesetzt. Jeder Nomade der vorbei kam hielt an und fragte nach dem Weg. Zwei Mal kam sogar ein Einheimischer vorbei und bot mir ein Pferd an. Hier läuft NIEMAND! Ein Pferd ist das Mindeste an Fortbewegungsmittel. An der Bushaltestelle angekommen, musste ich feststellen, dass es kein Zimmer im Ort zum Übernachten gibt. Und so stellte ich im Regen mein Zelt direkt neben der Straße auf, wo morgens der Bus nach UB vorbei kommen sollte. Es regnete noch die ganze Nacht. Was bin ich glücklich, mein eigenes „Haus“ dabei zu haben. In UB angekommen bezog ich Quartier im UB Guesthouse. Hier konnte ich mein Zelt auf dem Balkon trocknen und den Waschservice nutzen. Am Abend gab es das Lichterfest zu Buddha´s birthday im Naadam Stadion. Eigentlich wollte ich fünf Tage im Terelj NP wandern gehen. Aber irgendwie habe ich zu sehr gefroren in der kältesten Hauptstadt der Welt und mir eine ordentliche Erkältung zugezogen, so dass ich beschloss, in UB zu bleiben, um wieder gesund zu werden für die nächste richtige Trekkingtour in Kamtschatka. In UB kann man so viele geschichtsträchtige Orte und Museen besuchen, dass es einem nicht langweilig wird. Im Gandan Kloster traf ich dann noch Viola aus Karlsruhe, so dass es ein gemeinsames „abhaken“ der Sehenswürdigkeiten wurde.

Lichterfest zu Buddha´s Geburtstag

Der Tag an dem Buddha zur Erleuchtung kam und das Nirvana erreichte ist der 25. Mai. Zu diesem Anlass gab es am 6. Juni ein Lichterfest im Naadam Stadion in UB. Es wurden nach der Zeremonie der Mönche Butter- und Papierlampen angezündet und mit einem Wunsch in den Himmel gelassen. Hoffen wir, dass sie alle in Erfüllung gehen.

Das Gandan Kloster

Gandan ist das grösste und bedeutendste Kloster der Mongolei und eins der interessantesten Sehenswürdigkeiten in UB. Es wurde 1727 gegründet und diente während der kommunistischen Zeit als „Vorzeigekloster“, in dem religiöse Zeremonien unter der Kontrolle der Geheimpolizei stattfinden durften. Heute leben wieder über 600 Mönche im Kloster. Im größten Gebäude befindet sich die 26 Meter hohe Statue der Göttin Janraisig, für die das Kloster berühmt ist. 1938 hatten sowjetische Truppen die Statue demontiert und eingeschmolzen. Die buddhistische Gemeinde ließ 1996 mit umgerechnet fünf Millionen Dollar Spenden eine neue vergoldete Statue errichten. Für den buddhistischen Oberhaupt den Dalai Lama wurde ein Thronsessel neu erbaut. Ob er darin je gesessen hat, ist mir unbekannt.

Zaisan Monument

Zaisan ist eine Gedenkstätte mit der ewigen Flamme des Friedens (brennt aber heute nicht mehr), welche an die im Zweiten Weltkrieg gefallenen Sowjetsoldaten erinnern soll. In einem Rundbau stellen verschiedene Wandgemälde Szenen der Freundschaft zwischen den Völkern der UdSSR und der Mongolei dar, beispielsweise die sowjetische Unterstützung für die Unabhängigkeit der Mongolei 1921, die Niederlage der japanischen Kwantung Armee am Chalch Fluss, den Sieg über Nazi Deutschland und Errungenschaften der Friedenszeit wie die russische Raumfahrt. Nach Russland war die Mongolei das zweite sozialistische Land der Welt.

Steigt man zum Monument hinauf, wird man mit einem Rundblick auf UB entschädigt.

Die Treppe hinab befindet sich ein Panzer, der vom mongolischen Volk einer russischen Brigade gespendet worden war. Auf einer Karte kann man den Weg des Panzers von Moskau bis Berlin (wo er auch gewesen sein soll) nachvollziehen.

Bogd Khan Palast

Auf unserem Rückweg lag noch der Palast des 8. und letzten Bogd Khan, dem religiösen Oberhaupt des Buddhismus in der Mongolei. Der erste war Zanabazar, ein direkter Nachfahre von Chinggis Khaan, die letzten sechs kamen aus Tibet. Nach seinem Tod 1924 verbot die kommunistische Regierung der Mongolei die Suche nach einem Nachfolger. Fotografieren war leider verboten.

Terelj NP + Chinggis Khaan Statue Complex

Das UB Guesthouse bot einen Ausflug in den Terelj NP an und so konnte ich doch noch die schöne Landschaft direkt vor den Toren Ulaanbaatars genießen.

Einen lohnenden Autostop legten wir noch am Reiterstandbild des Chinggis Khaan ein. Es ist eine 40 Meter hohe Statue von ihm zu Pferd mit Aussichtsplattform, von wo aus man einen schönen Panoramablick hat. Im Gebäude befindet sich ein Museum mit Ausstellungen über die Bronzezeit und archäologische Kulturen in der Mongolei.

Nationalmuseum

Das Nationalmuseum zählt zu den bedeutendsten Museen der Stadt. Von der Ur- und Frühgeschichte über Chinggis Khaan und seine Erben bis hin zur jüngsten Vergangenheit der Mongolei beherbergt das Museum viele beachtenswerte Exponate.

Sukhbaatar Platz + The Blue Sky Tower

Der Sukhbaatar Platz ist der größte der Stadt. Hier begann 1990 der demokratische Aufbruch mit Hungerstreiks, die zum Zusammenbruch des Regimes beitrugen. An der Frontseite dominiert das Regierungs- und Parlamentsgebäude wo die Statuen von Chinggis Khaan in der Mitte und rechts und links jeweils die seines dritten Sohnes und die des Enkels seines vierten Sohnes thronen. Genau gegenüber überragt der The Blue Sky Tower die Stadt, wo man in der obersten Etage im Restaurant einen super Überblick hat und einen schönen Sonnenuntergang bei gepflegten Speisen und Getränken genießen kann.

„The fountain of Bakhchisarai“ by Asafev

Gemeinsam besuchen wir ein Ballettstück in der Oper am Sukhbaatar Platz. “Der Brunnen von Bakhchisarai“ ist ein russisches Ballettstück nach einem Gedicht von Alexander Puschkin aus dem Jahr 1823. Die Musik schrieb Boris Asafev und die Choreographie Rostislav Zakharov. Das Stück handelt von dem tatarischen Khan Girey Skala der den Palast eines polnischen Edelmannes überfällt, alle Männer umbringt und die Frauen als Pfand mit in sein Harem nimmt. Er ist unsterblich in die schöne Maria verliebt. Diese weist ihn jedoch zurück. Seine Haremsfrau Zarema bekommt seine Verliebtheit in die neue Frau zu spüren, der Khan lehnt sie ab. In ihrer Eifersucht tötet sie des nachts die schöne Maria, der Khan erwischt sie auf frischer Tat und lässt Zarema töten. Er sitzt am Brunnen, den er für Maria erbauen lies. Der Palast wurde ursprünglich im sechzehnten Jahrhundert gebaut und steht auf der Krim, in der Nähe Jalta. Den Brunnen soll es immer noch im Hof des Palastes geben. Er heißt Fountain of Tears.

Zanabazar Museum der bildenden Kunst

Zanabazar war das erste religiöse Oberhaupt des Lamaismus in der Mongolei. Er war zu seiner Zeit ein hoch begabter Gelehrter und Bildhauer. Er ist vor allem durch seine Bildhauerkunst und durch die Schaffung des Sojombo Alphabetes in die Geschichte eingegangen. Das Museums für bildende Künste stellt viele seiner Gemälden, Schnitzereien und Skulpturen aus. Schön zu betrachten sind sehr seltene und alte religiöse Thangka (Gemälde) und buddhistische Statuen. Die Bilder One Day in der Mongolei und das Airag Fest gehören mit zu den schönsten und zeigen fast jeden Aspekt des Nomadenlebens. Wenn man das Gebäude betritt werden im ersten Raum alte Kunst ausgestellt wie Hirschsteine aus der Bronzezeit. Das Museum verkauft ebenso Souvenirs bedruckt mit der schönen zeitgenössischen Kunst. Das Gebäude selbst stammt aus der Manchu Zeit, wurde zuerst als eine chinesische Bank verwendet, in den 1920er Jahren blieben sowjetische Truppen hier und später beherbergte es das Außenministerium der Mongolei.

Choijin Lama Tempel

Der Coijin Lama Tempel ist ein klassisches Beispiel der mongolischen traditionellen buddhistischen Architektur und wurde in den Jahren 1904 – 1908 erbaut. Dieser war der einstige Sitz des Staatsorakels und Beraters des Bogd Khaan. Bevor wichtige Entscheidungen getroffen wurden, befragte man die Götter. Der Lama rief dabei den Schutzgott Choijin an, den Schutzgott der Religion. Im Jahre 1918 erwachte er allerdings nicht mehr aus seiner  Trance. In den Tempeln kann man die vielen Tsam Masken und Reliquien des traditionellen religiösen Maskentanzes betrachten. Im Haupttempel ist eine Mumie des Lehrers des Choijin Lamas zu sehen.

Ein Land im Spagat zwischen Tradition und Moderne

Wir schlendern über den Sukhbaatar Platz und beobachten das Treiben. Da kommt ein Mann im traditionellen Deel angelaufen und neben ihm eine Frau in moderner Kleidung und hohen Absatzschuhen. Ich finde es toll, dass beides täglich gelebt wird: Tradition und Moderne.

Außerdem staune ich nicht schlecht, als ich gleich neben meinem Guesthouse ein veganes Restaurant entdecke und dann noch mehr, als ich sah, dass die Tische voll mit Einheimischen besetzt sind. Kam doch gerade erst Viola vom Picknick mit Einheimischen zurück und erzählte mir, dass die Mongolen aus UB quasi mit ihrem „Frischfleisch“ im Kofferraum ins Grüne fahren und dort traditionell das Vieh schlachten und zubereiten. Und sie haben es nicht nur gemacht, weil sie einen deutschen Gast betreuen wollten, nein, es war ein ganz normaler Ausflug und Viola war lediglich dazu eingeladen.

Weiterreise nach Osten

Bevor hier in UB die Temperaturen zu heiß werden, reise ich weiter und mache mich auf den Weg nach Osten. Vulkan Trekking in Kamtschatka heißt das nächste Reiseziel und dort sind die Temperaturen für mich viel erträglicher! Doch eh der nächste Bericht bei euch auf dem Bildschirm erscheint, möchte ich schon mal die Einladung zur „Rückkehrparty“ bekannt geben. Denn schon bald hat alles ein Ende, aber die Wurst hat ja bekannterweise zwei.

Bis ganz bald eure Heike

Einladung Rückkehrparty

Einladung Rückkehrparty

Ein Gedanke zu „Ein Land im Spagat zwischen Tradition und Moderne“

  1. Ahoi Heike! Nun habe ich endlich Deine neue avisierte Seite über UB gelesen – Du hast ja alle Tempel und Sehenswürdigkeiten 😉 gesehen – als Mitteleuropäer sind uns diese alle wohlbekannt 😉 bei meinem damaligen Trip an den Baikal, wollten wir über die Mongolei von China her anreisen – leider hat es nicht geklappt – Ich bin auch gespannt auf KAMSCHATKA!! Gruß Andreas

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