Der Bär ist los
Nach unserer schönen „Eingehtour“ buche ich den Guide Dima für eine Bergwanderung ins Khamar Daban Gebirge. Mit dem Auto fahren wir von Irkutsk nach Sludyanka und stellen es an der Bergrettungsstation ab. Wir füllen unsere Rucksäcke mit Proviant für die nächsten drei Tage und auf geht´s in die Berge. Immer am Fluss Sludyanka entlang, den wir insgesamt elf Mal überqueren müssen, gehen wir 20 Kilometer weit und steigen dabei 800 Meter in die Höhe. Gleich auf den ersten Kilometern entdecken wir erste Bärenspuren im Schnee. Ich stelle meinen Fuß daneben. Dima meint es sei noch ein kleiner Bär. Letztes Jahr wurde eine Bärin in den Bergen erschossen, weil sie zu nah an die Hütten kam. Der Bär ist also schon aufgewacht 😉 Nach sechs Stunden erreichen wir unser Tagesziel: die Meteostantsiya. Wir beziehen eine einfache Hütte mit Ofen (Bullerjan), Nachtlager und kleiner Küche, schmelzen Schnee, um mit dem Wasser das Abendessen zu kochen. Gemütlich geht ein anstrengender aber schöner Tag zu Ende.
Entlang der alten Poststraße
„Morgenstund hat Gold im Mund“ … Eigentlich kann mich der frühe Vogel mal, aber Dima drängelt zum Aufstehen. Zu schön ist das Wetter, als dieses in den Bergen zu verschlafen! Gleich nach dem Frühstück und der Morgentoilette soll es hinauf in die Berge gehen. Fast 900 Höhenmeter sind dafür zu bezwingen. Die Aussicht ist grandios. Die Berge rings herum sind ein Eldorado für Skitourengeher. Leider habe ich solche Ausrüstung nicht dabei. Aber ich könnte mir vorstellen, nicht das letzte Mal hier zu sein.
Auf den Bergen liegt noch über einen Meter Schnee. Dies wird immer an der Wetterstation gemessen und aktuell ins Internet gestellt. Die Sonne meint es heute gut mit uns. Dima gibt mir eine Skibrille, damit ich nicht schneeblind werde. Oberhalb der Baumgrenze weht ein kräftiger Wind. Wir steigen ein paar Höhenmeter wieder hinab und Dima möchte mir die alte Poststraße zeigen. Früher sind hier einmal Kutschen gefahren und haben die Post von Irkutsk über Sludyanka in die Mongolei transportiert. Dieser Weg ist jedoch in diesem Winter kaum begangen, so dass es keinen Trampelpfad gibt und wir zum Teil bis zum Bauch einsinken. Ein Vorwärtskommen scheint unmöglich. Am Wegesrand entdecken wir Schneehöhlen. Hier hat anscheinend der Bergrettungsdienst geübt. Dima klettert einmal hindurch und hat seinen Spaß dabei. Als es unmöglich wird weiter zu gehen, beschließen wir ein Sonnenbad im Schnee zu nehmen. Für den Abstieg habe ich Mülltüten dabei. Die restlichen fast 700 Höhenmeter rutschen wir im Sturzflug den steilen Hang hinab. Die Vorfreude auf den warmen Ofen, lassen uns die klitsch nassen Hosen vergessen. Der Muskelkater im Hintern erinnert mich jedoch noch tagelang daran
Typisch Russland
Wir verabschieden uns beim Jäger in der Meteostantsiya. Am Eingang stehen selbst gebaute Skier aus Birkenholz. Damit geht er im Winter jagen. Die Jäger in Sibirien bekommen eine Prämie für jeden Tod geschossenen Wolf. Die Wölfe sind zu gefährlich für die Bauern. Sie fressen ihr Vieh. Ich wollte noch wissen, mit was für ein Fell die Skier bespannt sind. Erst meinte der Jäger es sei ein sibirischer Zobel. Das weiche Gold Sibiriens. Wahrscheinlich weil er sah, dass ich eine Touristin bin. Dann verbesserte er sich und murmelte etwas vom Hund. Diese Skier sind also mit Hundefell bespannt. Anders als in Deutschland sind Hunde in Russland auch Nutztiere oder werden sogar von sehr armen Leuten gegessen. Es soll sehr gut helfen bei Erkältungen.
Wir steigen schnell das Tal hinab. Ich möchte mir noch das Mineralmuseum anschauen. Es ist eine private Sammlung eines Geologen in Sludyanka. Griesgrämig öffnet uns die Frau und fragt: wie viele? Danach kommt ein NET mit der Begründung: nur für Gruppen geöffnet. Wir dürfen also nicht hinein. Dima meint, die Familie sei für ihre Unfreundlichkeit bekannt. Dafür war der Empfang im Hostel bei Anja um so wärmer und herzlicher. Hier habe ich im vergangenen Jahr gewohnt. Anja wusste sogar noch meinen Namen. Ich hatte ein paar Kleinigkeiten für die Jungs mit. Wir blieben zum Tee. Mit Süßigkeiten und Geschenken überhäuft fuhren wir wieder zurück nach Irkutsk.
Der Baikalsee zeigt mir seine kalte Schulter
Ich möchte raus aus der Stadt Irkutsk und fahre mit der Marschrouta – einem Kleinbus nach Listwjanka. Dort quartiere ich mich ins Hostel ein, bestelle die Banja (russische Sauna) für den Abend und genieße geräucherten Omul (ein Lachsfisch der ausschließlich im Baikalsee lebt) und Bier am Ufer des zugefrorenen Baikalsees. Am Wochenende 11. und 12. April 2015 ist Ostern in Russland. Sehr viele Leute feiern dies, in dem sie an den Baikalsee fahren zum Picknicken. Sie sitzen wie ich am Ufer oder genießen einen Ausflug mit einem Luftkissenboot über den zugefrorenen See.
Ich spaziere auf dem zugefrorenen Baikalsee herum. Es weht ein eisiger Wind. Die Kälte vom Eis steigt in mir hinauf in alle Glieder. Eigentlich war mein großer Traum einmal über den Baikalsee vom West- zum Ostufer zu laufen. 40 Kilometer Eistrekking mit Zelten darauf. Bei dem Gedanken friert es mich noch mehr. Für manche Träume ist es wohl besser, wenn man sie weiter träumt 😉
Am Abend genieße ich zwei Stunden Banja mit Birkenrute und schickem Banjahut. Da möchte ich unbedingt noch welche kaufen davon! Den nächsten Tag steige ich wie viele andere Wochenendausflügler auf den Aussichtsberg von Listwjanka. Von oben kann man sehen, dass die Angara nie zufriert und Sibirien so langsam aus dem Winterschlaf erwacht. Das sicherste Anzeichen dafür ist, dass die Möwen zum Baikal zurück gekehrt sind.